Die wichtigsten Wirkstoffgruppen einheimischer Pflanzen

Ätherische Öle

Ätherische Öle sind aufgrund ihrer Beschaffenheit flüchtige, fettlösliche, nicht aber mit Wasser mischbare Pflanzeninhaltsstoffe. Sie werden in besonderen Pflanzenzellen gebildet und in Exkretbehältern, Drüsenhaaren oder Ölzellen gespeichert. Viele Pflanzen enthalten ätherisches Öl, manchmal sogar nur Spuren davon. Als aromatische Pflanzen gelten nur solche, die einen Gehalt zwischen 0,1-10% aufweisen.
Ätherische Öle besitzen abhängig von ihrer Zusammensetzung einen jeweils charakteristisch ausgeprägten Duft und sind somit typisches Aushängeschild ihrer Trägerpflanze. Die Gewinnung des Öles aus den Pflanzen erfolgt u.a. durch Wasserdampfdestillation, Extraktion mit organischen Lösungsmitteln, Auspressen oder C02-Extraktion. Nicht selten enthalten ätherische Öle über 100 Einzelkomponenten und weisen qualitativ wie quantitativ große Unterschiede auf, die auf vielfältige Anwendungsmöglichkeiten hindeuten.
Es sei darauf hingewiesen, dass pures ätherisches Öl hochkonzentrierte Wirkstoffe enthält (10-1000 mal so viel wie die Pflanze, aus der es gewonnen wurde) und stets nur in verdünnter Form zur Anwendung kommen darf!

 

Eigenschaften:

Bei äußerlicher Anwendung können ätherische Öle:

– eine gesteigerte Durchblutung der Haut bewirken die sich als Wärmegefühl und Rötung bemerkbar macht, ein Effekt der in Schmerz- und Rheumasalben ausgenutzt wird (Fichtennadel-, Wacholderbeer-, Rosmarinöl..). Bei nicht eingehaltener Dosis aber können ätherische Öle zu schweren Hautreizungen und Bläschenbildung führen.

– manchmal entzündungshemmend sein (Kamillenblüten-, Schafgarben-, Salbeiöl..).

– antibakterielle, pilzhemmende und antivirale Eigenschaften aufweisen (Thymian-, Melissenöl..).

– entzündungshemmend, antiseptisch und expektorierend, wirken (in stark verdünnter Anwendung als Inhalation: Pfefferminz-, Fichtennadel-, Thymianöl).

 

Bei innerlicher Anwendung (keine Selbstmedikation!!) wirken ätherische Öle:

– expektorierend, indem sie die Schleimhäute reizen (Thymianod. Quendelöl, Anisöl..).

– desinfizierend (Kamillen-, Salbei-, Schafgarben-, Thymianöl..).

– verdauungsfördernd (Kümmel-, Anisöl..).

– krampflösend (Anis-, Fenchel-, Koriander-, Kamillenblüten-, Melissenöl..).

– harntreibend (Liebstöckel-, Wacholderbeeröl..).

– beruhigend (Lavendel-, Melissen-, Baldrianöl).

Harze und Balsame

Wie die ätherischen Öle sind auch die Harze wasserunlöslich, sie sind jedoch fest und nicht flüchtig. Findet man Harze in ätherischen Ölen gelöst, so spricht man von Balsamen. Uns interessiert hier nur eine einheimische Gattung von Heilpflanzen, die der Nadelgehölze (Fichte, Kiefer, Lärche… ).

Sie liefern uns gemeinhin ein Balsam, das Terebentin. Unterzieht man Terebentin einer Wasserdampfdestillation, so verflüchtigt sich das ätherische Terebentinöl und zurück bleibt das nicht flüchtige Harz, auch als Kolophonium bezeichnet.

Kolophonium diente früher der Herstellung von Pflastern, Verbandklebemitteln und Salben.

 

Alcaloïde

Alkaloide sind stickstoffhaltige, allgemein alkalisch (daher ihr Name!) d.h. basisch reagierende Verbindungen mit ausgeprägter pharmakologischer Wirkung, vor allem auf das zentrale Nervensystem.

Je nach chemischer Grundstruktur oder Biosynthese werden Alkaloide in verschiedene Familien eingeteilt. Pflanzen, die Alkaloide als Hauptwirkstoffe und/oder in größerer Menge enthalten, gelten als Giftpflanzen mit starken Nebenwirkungen. Sie sollten nicht zur Selbstmedikation gebraucht werden. Bekannte einheimische Heilpflanzen, die Alkaloide enthalten, sind der Besenginster, die Herbstzeitlose, der Rainfarn, der Schierling, das Schöllkraut, der Stechapfel, die Tollkirsche.

Eine der giftigsten Pflanzen unserer Flora ist der blaue Eisenhut, der in vielen Ziergärten zu finden ist. Andere alkaloidhaltige Zierpflanzen sind die Eibe, die Engelstrompete, der Goldregen, der Lerchensporn und der Rittersporn.

 

Bitterstoffe

Bitterstoffe sind keine eigenständige Familie, sondern sie gehören verschiedenen chemischen Gruppen an, haben aber dieselbe und einzige pharmakologische Wirkung, die darin besteht, dass sie aufgrund ihres bitteren Geschmacks die Magensaftsekretion anregen und somit die Verdauung verbessern.

Bekannt für ihre appetitanregende Wirkung sind u.a. der Beifuß, die Schafgarbe, das Tausendgüldenkraut und der Wermut.

 

Carotenoide

Carotenoide, von denen es mehrere hundert verschiedene Verbindungen gibt, fallen vor allem durch ihre gelborange Farbe auf, die man in vielen Blüten (z.B. Ringelblume), Früchten oder anderen Pflanzenteilen vorfindet.

Einige dieser Carotenoide kann unser Körper in Vitamin A umwandeln, das bekannteste ist das Beta-Carotin aus der Möhre. Doch auch die Tomaten enthalten ein Carotenoid, das Lycopin, bekannt wegen seiner antioxydativen Wirkung, die einem vorzeitigen Altern der Zellen vorbeugt.

Das Lutein, ein anderes Carotenoid, häufig in dunklem Blattgemüse zu finden, ist bekannt wegen seiner günstigen Wirkung auf die Netzhaut des Auges.

Flavonoide

Flavonoide sind meist von gelber Farbe (lat. flavus = gelb) und sind verantwortlich für die auffallende Färbung vieler Blüten und Früchte. Flavonoide gehören zu einer Familie von Wirkstoffen, die trotz gleichen Grundaufbaus eine große strukturelle Vielfalt aufweist. Sie sind sehr weit im Pflanzenreich verbreitet.

Flavonoidhaltige Arzneipflanzen wirken je nach Spektrum und Gehalt an Wirkstoffen zellschützend (Radikalfängereigenschaften der Flavonoide), krampflösend (Kamille, Schafgarbe…). Auch wurde bei verschiedenen Flavonoidderivaten eine herzkräftigende Wirkung festgestellt. Dies gilt insbesondere für die Inhaltsstoffe des Weißdorns, die sich gegenseitig verstärken und somit eine sehr günstige Wirkung bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens entfalten.

Andere Flavonoidkomponenten sind harntreibend, weshalb man eine Reihe von flavonoidhaltigen Heilpflanzen in wassertreibenden Tees wiederfindet (Birkenblätter, Brennnesselkraut, Goldrute, Hauhechel…).

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass Flavonoiddrogen früher häufig zum Färben von Naturfasern benutzt wurden.

Gerbstoffe (Tannine)*

Der Begriff „Gerbstoff“ umfasst Pflanzeninhaltsstoffe, die durch ihre eiweißfällende Wirkung d.h. ihre Fähigkeit, mit Eiweiß oder genauer gesagt den Kollagenfasern der tierischen Haut unlösliche Verbindungen einzugehen und demnach in der Lage sind, letztere in Leder umzuwandeln. Dieses Verfahren wird als Gerben bezeichnet.

Man unterscheidet zwischen nicht hydrolysierbaren, sprich kondensierten Gerbstoffen (Catechingerbstoffe) und hydrolysierbaren, also aufspaltbaren Gerbstoffen (Gallotannine und Ellagitannine) sowie ferner den Lamiaceengerbstoffen, zu denen man die Rosmarinsäure und andere Phenolcarbonsäureester zählt, die man vor allem in Pflanzenarten der Familie der Lippenblütengwächse (Lamiaceen) wiederfindet.

Gerbstoffe finden sich vor allem in der Wurzel, der Rinde, den Blättern und den unreifen Fruchtständen der Pflanze. Sie schützen die Pflanzenteile so vor Fäulnis und halten außerdem durch ihren unangenehmen, zusammenziehenden Geschmack mögliche „Fressfeinde“ fern.

Gerbstoffe werden wegen ihrer adstringierenden Wirkung gebraucht, d.h. ihrem Vermögen Eiweißstoffe der Schleimhaut so zu verknüpfen, dass sie eine unlösliche Schutzschicht bilden. Dadurch wird die Schleimhaut nach außen hin abgedichtet und den Krankheitserregern der Nährboden entzogen. Dies bringt eine Desensibilisierung der Nerven mit sich und erklärt den entzündungshemmenden und reizmildernden Effekt. ( … siehe auch „Schleimstoffe“) Gerbstoffextrakte werden äußerlich bei Hämorrhoiden, Verbrennungen, Wunden und bei Entzündungen des Mund- und Rachenraumes angewandt.

Innerlich wirken sie Magenschleimhautentzündungen und Durchfällen entgegen, wobei zu bemerken ist, dass die hydrolisierbaren Tannine im Magen sehr schnell aufgespalten werden und ihre Wirkung verlieren. Gerbstoffe bilden mit Alkaloiden und Schwermetallen unlösliche Verbindungen, eine Eigenschaft, die sie zu Sofortgegenmitteln bei Vergiftungen mit diesen Stoffen macht.

Gerbstoffhaltige Pflanzen sind u.a. die Brombeere (Blätter), der Dost, die Eiche (Rinde), der Frauenmantel, das Gänsefingerkraut, die Gundelrebe, die Heidelbeere, der Odermennig, der Salbei, der Tormentill, die Walnuss

 

Glucosinolate (Senfölglykoside)

Glucosinolate sind schwefel- und zugleich stickstoffhaltige Moleküle, die jeweils an ein Glucose gebunden sind. Neben dem Senfölglykosid enthalten glucosinolathaltige Pflanzen immer ein Enzym, Myrosinase genannt, das in der Pflanzenzelle räumlich getrennt aufbewahrt ist.
Wird das Pflanzengewebe durch Zerschneiden, Zerstampfen, Zerkauen usw. beschädigt, tritt das Enzym aus der verletzten Zelle aus und spaltet das Senfölglykosid auf, worauf scharf bzw. bitter schmeckendes sowie oft stechend riechendes Senföl freigesetzt wird. Somit scheinen Senföle ähnlich wie Tannine ein von der Pflanze entwickelter Abwehrstoff gegen Tierfraß zu sein. Einige Senföle besitzen bakterien-, pilz- und virenhemmende Eigenschaften (siehe Kapuzinerkresse die gegen Harnwegsinfektionen eingesetzt wird) oder zeigen eine hautreizende Wirkung, die die örtliche Durchblutung anregt (Senfpflaster).

Einige Abbauprodukte der Senföle sollen krebsvorbeugende Eigenschaften besitzen, da sie als Radikalfänger fungieren und so freie Radikale unschädlich machen.

 

 

Herzwirksame Glykoside

Herzwirksame Glykoside sind Steroidderivate mit großer pharmakologischer Wirkung. Ihr Nachteil liegt darin, dass die therapeutische Dosis sehr nah an der toxischen Dosis liegt und ihr Einsatz immer streng von einem Arzt überwacht werden muss. Deshalb werden Pflanzen mit herzwirksamen Glykosiden ausschließlich von der pharmazeutischen Industrie verwendet, die die Heilgifte isoliert und als genau dosierte Medikamente auf den Markt bringt.
Diese Medikamente beeinflussen die Herzleistung, indem sie die Kontraktionskraft und -geschwindigkeit des Herzmuskels fördern und die Herzschlagfrequenz herabsenken. Sie werden u.a. bei chronischer Herzinsuffizienz eingesetzt.

Die bekanntesten einheimischen Giftpflanzen mit herzwirksamen Glykosiden sind der Fingerhut (Digitalisglykoside), das Maiglöckchen, das Pfaffenhütchen und das Adonisröschen.

 

Iridoide

Iridoide sind bicyklische, sauerstoffreiche Verbindungen, die relativ weit im Pflanzenreich verbreitet sind.
Je nach Beschaffenheit weisen Iridoide antimikrobielle (so z.B. das Aucubin in Augentrost, Königskerze und Spitzwegerich), eupeptische d.h. durch bitteren Geschmack bedingte (Tausendgüldenkraut) oder aber beruhigende (Baldrianwurzel) Wirkungen auf.
Iridoide mit eupeptischen Eigenschaften zählt man zu den Bitterstoffen.

 

Saponine

Saponine (lat. Sapo = Seife) sind wasserlösliche Verbindungen, die mit Wasser einen haltbaren Schaum ergeben und durch ihre Oberflächenaktivität Seifencharakter haben, also wie Tenside wirken. Man unterscheidet zwischen zwei Gruppen von Saponinen: Steroidsaponine und Triterpensaponine.
Therapeutisch gebraucht man Saponine als schleimlösende Mittel bei Bronchialkatarrhen und festsitzendem Husten, wo durch eine Verflüssigung des zähen Schleimes das Abhusten erleichtert wird (Efeublätter, Primelwurzeln… ).

Ebenso wurde eine diuretische (harntreibende) Wirkung nachgewiesen, die wahrscheinlich auf einer Reizung der Nieren beruht. Das Zusammenspiel der in ihm enthaltenen Saponine und Flavonoide macht aus dem Goldrutenkraut ein entzündungshemmendes Diuretikum. Bei anderen Saponinen hat man ödemprotektive Eigenschaften festgestellt, bedingt durch eine herabgesetzte Kapillarpermeabilität (z.B. das Aescin aus der Rosskastanie). Aescin wird in abschwellenden Gelen angewendet.

 

Schleimstoffe

Schleime sind hochmolekulare Verknüpfungen diverser Zuckerbausteine und gehören als solche zu den Kohlenhydraten. In Kontakt mit Wasser quellen sie stark auf und bilden visköse (zähflüssige) Lösungen oder Gele. Schleime wirken reizmildernd, indem sie sich als schützende Schicht über die Schleimhaut legen und diese vor lokal reizenden Stoffen oder Angriffen abschirmen. So wird die Sensibilität der Schleimhaut herabgesetzt und der reflektorisch ausgelöste Hustenreiz vermindert. Folglich werden Schleimdrogen angewandt bei Entzündungen des Rachenraumes und daraus entstehenden Reizhustens (Eibischwurzel, Huflattich-, Malven- und Spitzwegerichblätter, Stiefmütterchenkraut, Blüten der Königskerze, Isländisches Moos…). Schleime werden als leichte Abführmittel gebraucht, da ihr Aufquellen den Darm zu verstärkter Peristaltik anregt und seine Entleerung fördert (Leinsamen…).

Neben diesen Hauptgruppen gibt es noch eine Reihe anderer Wirkstoffgruppen sowie Einzelwirkstoffe, die keiner Gruppe zugeordnet werden.

Die Heilkraft einer Pflanze kann sehr wohl von einem Hauptwirkstoff geprägt sein, resultiert aber meist aus dem harmonischen Zusammenspiel aller Inhaltsstoffe.

 

Note
Alle mit * gekennzeichneten Wirkstoff e kommen in der Natur nicht frei vor, sondern sind überwiegend an einen oder mehrere Zuckerbausteine gebunden. Deshalb spricht man auch noch von „Glykosiden“ Für die Heilwirkung maßgebend ist jedoch immer der Nichtzuckeranteil, auch Aglykon genannt. So z.B. ist ein Flavonoid das Aglykon eines Flavonoidglykosides.